Artikel von Christoph Heek über informelle Kunst und
seine Arbeitsweise in der Jubiläumsausgabe des Magazins Hammelsprung:
Informell geht schnell
… so witzeln manchmal einige der mir bekannten Künstlerkolleginnen und -kollegen. Gemeint ist dabei die vergleichsweise schnelle und scheinbar leichtfüßige Machart der nichtfigurativen künstlerischen Darstellung.
In der informellen, also im künstlerischen Sinne nichtfigurativen Zeichnung geht es nicht darum, einen konkreten Plan oder eine (Darstellungs-) Absicht zu verfolgen, sondern sich ergebnisoffen in einen Prozess zu begeben, dessen Endpunkt im günstigsten Falle ein gelungenes Werk darstellt. Die Offenheit für das Entstehende ist dabei wesentlicher Teil des Prozesses.
In der Kunstgeschichte bezeichnet „das Informell“ zusammenfassend eine Kunstströmung der nicht geometrischen Abstraktion der Malerei der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Es wird damit erstmalig eine künstlerische Haltung und nicht ein einheitlicher Stil benannt. Diese Haltung wendet sich gegen klassische Kompositionsprinzipien der figurativen Malerei aber auch gegen die der geometrischen Abstraktion. Farbe, Linie und Fläche sind befreit von vorgegebenen Formen oder Abbildungsbezügen. Sie werden selbst zum Thema und das Zeichnen oder Malen an sich wird zum Dokument der Konzentration eines dynamischen, künstlerischen Gestus, welcher auf dem Zeichen- oder Malgrund fixiert wird.
Spontanität und Offenheit für das sich Ergebende sind wesentliche Vorraussetzungen. Das prozessuale Konzept dieser Kunstform erlaubt das Verlassen von (eigenen) bereits festgetrampelten Pfaden und findet Freunde und Berechtigung im Tun und Bedeutung im Ergebnis. Dies entbindet aber nicht von der selbstkritischen Reflexion des Werkes. Ganz im Gegenteil. Das scheinbar völlig Freie will genau betrachtet, bewertet und gegebenenfalls auch verworfen sein. Am Ende steht also ein Entscheidungsprozess, dessen Ziel es sein muss zu hinterfragen, ob Inhalt und Form in einer künstlerisch wertvollen Weise eine gelungene Verbindung eingegangen sind. Ob die Rezipienten dies auch so sehen, steht auf oft einem anderen Blatt.
Auch wenn all dies auf den ersten Blick vielleicht etwas beliebig daher zu kommen und einfach alles erlaubt zu sein scheint, so ergibt sich in der künstlerischen Praxis doch ein anders Bild. Man entwickelt im Laufe der Zeit eine höchst individuelle künstlerische Ausdrucksform. So etwas wie eine erkennbare Sprache des eigenen informellen Bildschaffens. Das klingt nicht nur paradox, in gewisser Weise ist es das auch. Allerdings kommt aller Schaffensdrang aus dem tiefsten Inneren und ist untrennbar mit Körper und Geist des Schaffenden verbunden. Es entstehen im Lauf von Jahren unwillkürlich entstandene und unbewusst abgespeicherte Bewegungsmuster und Haltungen, die sich im Gestus manifestieren und für einen gewisse Wiedererkennbarkeit sorgen.
Auch eine informelle Arbeit hat (ein) Format. Es ist nicht gleichgültig, ob ein Werk in der räumlichen Ausdehnung die Körpergröße der Künstlerin oder des Künstlers übersteigt oder ob es ein kleines, fast intimes Format hat. Das Format der Arbeit hat bedeutenden Einfluß auf die Art der Bewegung. So kann etwas kleinformatiges aus dem Handgelenk entstehen, etwas anderes aber große und raumgreifende Bewegungen erfordern.
In diesem Artikel habe ich versucht, eigene künstlerische Prozesse in Worte zu fassen. Das ist an und für sich schon ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Nicht umsonst verbrennen sich viele KunsthistorikerInnen daran die Finger, wenn sie es versuchen. Worte sind in diesem Fall ein nur begrenzt geeignetes Hilfsmittel zur Veranschaulichung eines Prozesses, bei dem es gerade nicht um Worte geht.
Zeichnen ist eben eine andere Form des Denkens.
Christoph Heek Kleve, den 14.05.2019