Text Dr. Falko Herlemann [2016]

Christoph Heek: Es ist, was es ist

Künstlerzeche Unser Fritz 2/3, Herne, 06.August 2016

 

Meine Damen und Herren,

lieber Jens, lieber Werner,

und vor allem lieber Christoph Heek

auch ich begrüße Sie alle herzlich zu dieser Ausstellung. Christoph Heek hat sie „Es ist, was es ist“ genannt. Es ist ein fast programmatischer Titel. Eine Aussage, die dem Betrachter alle Hoffnung oder Sehnsucht nach illusionistischer Kunst nimmt.

Aber was ist es dann?

Informelle Zeichnungen? Das Informel war in den späten 1940er und 1950er eine Kunstrichtung, in der Künstler zu einer freien, spontanen Gestaltung fanden. In der sie sich gegen die geometrische Abstraktion, aber auch den gerade überwundenen Naturalismus der Nazis und den „Sozialistischen Realismus“ der „Ostzone“, wie man damals sagte, wandten.

Was hat das mit Christoph Heek zu tun?

Christoph Heek zeigt Zeichnungen und zwei Wandobjekte. Es sind kleine Formate. Es sind viele Blätter. Sie sind hier im Ausstellungsraum zu Blöcken arrangiert oder in Reihen gehängt. Es sind Blätter mit eher sparsamen Zeichnungen. Gezeichnet sind sie mit Tusche oder Stiften, dazu kommt manchmal Lackfarbe oder Fixierspray.

In seinen Zeichnungen überlagern sich feine Linien. Da brechen aber auch schon mal kräftige Striche aus. Sie zielen auf den leeren Blattraum. Andere Linien scheinen imaginäre Formen zu umschreiben. Da stehen Linien gegen Flächen. Da entstehen kräftige dunkle Flächen aus mehrfach übereinander gelegten Schraffuren. Da überlagern sich Linien und Flächen zu ausufernden Gebilden. Da scheinen nicht existente Körpern Schatten zu werfen. Christoph Heek selbst spricht von „Verdichtungszonen“. Andere Formen scheinen fast durchsichtig. Die Tusche löst sich mehr und mehr zu durchsichtigen Formen auf. Spritzer und verlaufende Tusche kontrastieren  die grafischen Elemente. Dann hebt sich aber auch schon mal die graue Lackfarbe fast reliefartig von den Blättern ab.

Es ist eine Welt aus schwarz-weißen und grauen Farbtönen. Doch dann kontrastiert ein kräftiges Rot seine zeichnerischen Gebilde. In anderen Blättern sind die sparsam eingesetzten Farben erst auf den zweiten Blick oder dritten Blick zu erkennen.

Manche dieser Zeichnungen schaffen eine innerbildliche Räumlichkeit, ohne dass sie auf die klassischen Mittel der Zentralperspektive setzen. Da entsteht ein Vor- und Hintereinander, das sich im gleichen Moment wieder auflöst. Sie scheinen wie Momente einer Bewegung. Anderen Blättern sieht man die körperliche Bewegung des Zeichnens an. Sie scheinen eher kraftvoll und gestisch. Als könne man den Zeichner direkt in ihnen erkennen.

Lässt man seinen Blick über die Blätter schweifen, stellt  man fest, dass diesen Zeichnungen etwas Gemeinsames haben. Sie wehren sich dagegen auf figürliche oder wiedererkennbare Formen anzuspielen. Sie sind im besten Sinne gegenstandslos. Letztlich trotzen sie jeglicher Beschreibung.

In sofern sind sie wirklich das, was sie sind: Zeichnungen.

Christoph Heeks Zeichnungen entstehen spontan. Aber sie sind weniger Ausdruck von momentanen Gefühlen oder Emotionen als sehr bewusste Setzungen. Christoph Heek selbst sagt: „Ich bin an Kompositionen interessiert.“  Das mag vielleicht ein wenig widersprüchlich klingen. Auf der einen Seite das spontanes Zeichnen ohne jeglichen Bezug zu einer illusionistischen Wiedergabe der Welt und auf der anderen Seite die Idee einer Art Gesetzmäßigkeit, die sich in seinen Zeichnungen verstecken sollen oder können. Diese Idee von „Komposition“ ist vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennbar. Aber wenn man sich als Betrachter in diese Blätter vertieft, entdeckt man vielleicht doch noch weitere Gemeinsamkeiten, die sich mit dem Begriff „Komposition“ beschreiben lassen.

Christoph Heek setzt seine Zeichnungen nicht irgendwie auf das Blatt. Seine Zeichnungen beziehen das Format des Blattes mit ein. Sie sind bewusst auf einem bestimmten Ort platziert.  Viele seiner Zeichnungen beziehen die Blattränder mit ein. Da drängen sich Linien und Formen fast ganz an den Rand der kleinen Blätter. Andere scheinen von ihnen abgeschnitten zu sein. Da hat man den Eindruck, als wollten sie über die Grenzen des Blattes hinausreichen. In anderen Blättern setzt er seine kleinen Zeichengebilde gegen die leere Fläche. Da wird nie das Bildzentrum betont, sondern seine Formen rutschen an die Ränder oder nach Oben und Unten.

Das wird auch bei den beiden Wandobjekten deutlich. Hier hat Christoph Heek ein einzelnes zeichnerisches Element isoliert, auf Corten-Stahl übertragen und in den Raum gesetzt. Das zeichnerisch-plastische Gebilde hebt sich von der Wand ab wie seine Zeichnungen vom Bildgrund. Die Funktion der Blattgrenze übernimmt nun der reale Raum, hier die Raumecke, draußen der obere Wandabschluss. So scheint das Gebilde hier in der Ecke aus der Wand zu wachsen. Oder es wird in seinem Fluss von der Wand gebremst. Draußen im Flur scheint es von oben von der Empore zu tropfen. Der Raum wird hier ein Bestandteil der Arbeit, sowie das Format des Blattes ein nicht-verzichtbarer Teil der Zeichnung ist.

Christoph Heeks Arbeiten schaffen Spannungen, in dem sie mit dem Format des Blattes agieren. Sie stellen sich gegen die eher vernünftige Rechteckigkeit. Sie stellen sich gegen die vorgegebene Form. Christoph Heek schafft in seinen Zeichnungen ein kompositorisches Miteinander aus zeichnerischen Formen und der vorhandenen Leere. Da wird der Zufall des Zeichnens mit einbezogen und zugleich in eine Art kontrollierten Zufall verwandelt.

„Zeichnen ist eine auf Papier gebrachte intuitive Art des Denkens“,  hat Christoph Heek in einen Interview einmal gesagt. Christoph Heeks Arbeiten sind  eine Aufforderung an unser Sehen. Wir müssen nicht der Suche nach wieder erkennbaren Bildern nachhängen, sondern uns auf die freien spontane Formen einlassen.

Insofern sind seine Arbeiten das, was sie sind. Zeichnungen. Aber sie sind auch immer mehr als das. Und das sollten Sie heute in aller Ruhe mal erkunden.

© Dr. Falko Herlemann  Von-Velsen-Str. 11  D 44625 Herne

E-mail: info@kunstbuero-herlemann.de

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